Vielleicht fragst Du dich, ob medizinisches Cannabis süchtig machen kann. Diese Frage ist absolut berechtigt – schließlich handelt es sich bei Cannabis um eine bewusstseinsverändernde Substanz, die lange Zeit nur als Droge gesehen wurde. In diesem Blogpost gehen wir ergebnisoffen und patientenorientiert der Sache auf den Grund. Wir klären zunächst, was Abhängigkeit eigentlich bedeutet, schauen uns das Risiko einer Abhängigkeit von Cannabis an und beleuchten den Unterschied zwischen medizinischer Nutzung und Freizeitkonsum. Außerdem erfährst du, wie sich psychische Gewöhnung, Toleranz und physische Abhängigkeit unterscheiden, welche Cannabis-Entzugssymptome möglich sind und warum das Thema gerade in Deutschland heiß diskutiert wird.
Inhaltsverzeichnis
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Was bedeutet Abhängigkeit eigentlich?
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Cannabis und Abhängigkeit: Wie groß ist das Risiko?
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Medizinischer Gebrauch vs. Freizeitkonsum: Wo liegt der Unterschied?
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Toleranzentwicklung – wenn die Wirkung nachlässt
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Psychische Gewöhnung vs. körperliche Abhängigkeit
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Cannabis-Entzugssymptome: Gibt es das wirklich?
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Abschließende Gedanken
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Macht medizinisches Cannabis abhängig?
2025-09-03
Inhaltsverzeichnis
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Was bedeutet Abhängigkeit eigentlich?
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Cannabis und Abhängigkeit: Wie groß ist das Risiko?
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Medizinischer Gebrauch vs. Freizeitkonsum: Wo liegt der Unterschied?
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Toleranzentwicklung – wenn die Wirkung nachlässt
-
Psychische Gewöhnung vs. körperliche Abhängigkeit
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Cannabis-Entzugssymptome: Gibt es das wirklich?
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Abschließende Gedanken
Was bedeutet Abhängigkeit eigentlich?
Bevor wir über Cannabis sprechen, sollten wir klären, was Experten unter Abhängigkeit verstehen. Umgangssprachlich reden viele einfach von Sucht. In der Medizin wurde der Begriff Sucht jedoch schon in den 1960ern durch Abhängigkeit ersetzt, um Betroffene nicht zu stigmatisieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert ein Abhängigkeitssyndrom mit bestimmten Kriterien. Laut der internationalen Diagnoseklassifikation ICD-10 liegt eine Substanzabhängigkeit vor, wenn innerhalb eines Jahres mindestens drei der folgenden Merkmale aufgetreten sind:
- Starker Wunsch oder Zwang, die Substanz zu konsumieren.
- Verminderte Kontrolle über Beginn, Beendigung und Menge des Konsums.
- Entzugssymptome, wenn man den Konsum reduziert oder stoppt (oder Konsum einer ähnlichen Substanz, um Entzugsbeschwerden zu vermeiden).
- Toleranzentwicklung: höhere Dosis nötig, um die ursprünglich gleiche Wirkung zu erzielen.
- Vernachlässigung anderer Interessen und zunehmender Zeitaufwand für Beschaffung, Konsum oder Erholung von der Substanz.
- Fortgesetzter Konsum trotz nachweislich schädlicher Folgen.
Du merkst: Abhängigkeit zeigt sich nicht nur körperlich, sondern auch im Verhalten und Denken. Vereinfacht gesagt dreht sich bei einer Sucht irgendwann alles um die Substanz, und man konsumiert weiter, obwohl es einem schadet. In neueren Diagnoseleitlinien wie dem DSM-5 (dem Diagnosehandbuch der amerikanischen Psychiatrie) spricht man statt Abhängigkeit inzwischen von einer Substanzgebrauchsstörung mit abgestuften Schweregraden. Die Kriterien sind allerdings sehr ähnlich – es kommen lediglich soziale Probleme durch den Konsum als Aspekt hinzu.
Wichtig: Abhängigkeit ist als Krankheit definiert. Niemand entscheidet sich freiwillig dafür, abhängig zu werden, und es kann jede*n treffen. Auch wenn wir gleich differenzieren, wie riskant Cannabis im Vergleich zu anderen Stoffen ist, solltest Du wissen: Abhängigkeit bedeutet nicht Charakterschwäche, sondern ist ein komplexes Zusammenspiel aus biochemischen Wirkungen im Gehirn, individuellen Faktoren und sozialem Umfeld.
Cannabis und Abhängigkeit: Wie groß ist das Risiko?
Kommen wir zur Kernfrage: Kann Cannabis abhängig machen? Die kurze Antwort: Ja, Cannabis kann abhängig machen, wenn auch das Risiko geringer ist als bei manchen anderen Substanzen wie Alkohol oder Nikotin.
Für den Freizeitkonsum gilt eine oft zitierte Faustregel: Etwa 9 % bis 10 % der Menschen, die Cannabis probieren, entwickeln eine Abhängigkeit. Das Risiko liegt also bei ungefähr 1 zu 10. Diese Zahl stammt aus älteren Studien. Neuere Daten legen jedoch ein etwas höheres Risiko nahe: Eine Meta-Analyse von 21 Studien aus den 2010er-Jahren fand heraus, dass rund 13 % aller Menschen, die Cannabis konsumieren, die Kriterien einer Cannabisabhängigkeit erfüllen. Das entspricht etwa einer von acht Personen. Betrachtet man auch mildere Formen von Problemen im Umgang mit Cannabis (also das, was man nach neuem Sprachgebrauch Cannabisgebrauchsstörung nennt), sind es sogar 22 %, also gut jede fünfte Person.
Warum diese Diskrepanz zu älteren Zahlen? Zum einen hat sich die Definition verändert – heute würden auch leichtere Verläufe als Störung gezählt, die man früher vielleicht als bloßen Missbrauch abgetan hätte. Zum anderen hat sich der Cannabismarkt verändert: Es gibt heute stärker THC-haltige Produkte, die womöglich ein höheres Abhängigkeitspotential haben. Die Studien in der Meta-Analyse kamen überwiegend aus Ländern wie den USA, wo der THC-Gehalt in Cannabis in den letzten Jahren stark gestiegen ist.
Entwarnung gibt es aber in dem Sinne, dass nicht jeder, der kifft, automatisch in die Sucht rutscht: Die Mehrheit der Konsumierenden entwickelt keine Abhängigkeit. Es gibt jedoch klare Risikofaktoren. Einer der wichtigsten ist die Konsumhäufigkeit. Je regelmäßiger Du Cannabis nimmst, desto höher die Chance, dass sich eine Abhängigkeit ausbildet. Bei täglichem oder wöchentlichem Konsum steigt das Risiko deutlich – laut Studien auf etwa 33 %, also ein gutes Drittel. Auch wer sehr früh in der Jugend mit Cannabis anfängt oder wer nebenbei andere Drogen konsumiert (inklusive Alkohol und Tabak), hat ein höheres Risiko, abhängig zu werden. Zudem deuten Untersuchungen darauf hin, dass Männer im Schnitt etwas anfälliger für Cannabisabhängigkeit sind als Frauen – warum das so ist, ist noch nicht endgültig geklärt, könnte aber mit biologischen und sozialen Unterschieden im Konsumverhalten zusammenhängen.
Zusammengefasst: Cannabis-Abhängigkeit kommt seltener vor als etwa Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit, aber sie kommt vor – und bei intensivem Konsum gar nicht so selten. Wenn Du also hörst „Kiffen macht doch nicht süchtig“ – sei kritisch. Diese Pauschalaussage stimmt so nicht. Richtig ist: Viele Menschen können gelegentlich kiffen, ohne eine Abhängigkeit zu entwickeln. Aber niemand ist völlig gefeit davor. Die Daten zeigen, dass ein relevanter Anteil der Konsumierenden Probleme bekommt, insbesondere bei häufigem Gebrauch.
Medizinischer Gebrauch vs. Freizeitkonsum: Wo liegt der Unterschied?
Du fragst Dich jetzt vielleicht: Gilt dieses Risiko auch für Patienten, die Cannabis vom Arzt verschrieben bekommen? – Eine sehr wichtige Frage! Medizinisches Cannabis wird ja nicht zum Spaß, sondern zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt. Intuitiv könnte man denken, dass das Abhängigkeitsrisiko hier niedriger ist. Schließlich nehmen viele Patienten kontrollierte Dosen und sind unter ärztlicher Aufsicht. Tatsächlich schätzen einige Fachleute die Gefahr bei therapeutischer Nutzung als relativ gering ein. Gründe dafür: In der Medizin wird oft mit möglichst niedriger wirksamer Dosis gearbeitet, die Präparate sind standardisiert und qualitativ geprüft, und die Patienten werden in der Regel eng begleitet. Empirische Erfahrungen deuten darauf hin, dass Patienten seltener ihre Dosis stark erhöhen oder exzessiv konsumieren, verglichen mit Freizeit-Konsumenten. Außerdem steht beim medizinischen Einsatz meist die Linderung von Symptomen im Vordergrund, nicht das Erzielen eines Rauschs.
Aber: “Medizinisch” bedeutet nicht automatisch “ungefährlich”. Auch therapeutisches Cannabis enthält den psychoaktiven Wirkstoff THC, und wenn jemand regelmäßig hohe Dosen einnimmt, kann durchaus eine Abhängigkeit entstehen. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung hat genau das beleuchtet: In einer systematischen Übersichtsarbeit von 2024 wurden 14 Studien mit insgesamt 3.681 Patienten ausgewertet, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden. Das Ergebnis war überraschend deutlich: Nach DSM-5-Kriterien erfüllte etwa jeder vierte medizinische Cannabisnutzer (≈ 25 %) die Diagnosekriterien einer Cannabisgebrauchsstörung. Diese Quote ist vergleichbar mit der bei Menschen, die regelmäßig Cannabis zum Vergnügen konsumieren. Mit anderen Worten: Auch unter Patienten gibt es einen erheblichen Anteil, der Anzeichen von Abhängigkeit entwickelt. Besonders gefährdet scheinen – wenig überraschend – jene zu sein, die täglich Cannabis benötigen und solche mit bestimmten Risikofaktoren, etwa bestehende psychische Erkrankungen oder junge Erwachsene. Interessanterweise zeigte die Meta-Analyse einen Zusammenhang zwischen der Indikation chronische Schmerzen und einem erhöhten Sucht-Risiko. Möglicherweise, weil diese Patienten oft höhere THC-Dosen brauchen, um ausreichende Linderung zu erzielen.
Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass medizinisches Cannabis automatisch süchtig macht – viele Patienten setzen es erfolgreich und verantwortungsvoll ein, ohne Anzeichen von Abhängigkeit.
Doch sie sind ein Hinweis: Vorsicht ist auch im therapeutischen Kontext geboten. Ein verantwortungsvoller Arzt oder Ärztin wird Dich darauf hinweisen und beobachten, ob sich bei Dir Tendenzen zur Abhängigkeitsentwicklung zeigen. Gleichzeitig kann man aber festhalten: Bei umsichtigem Gebrauch unter ärztlicher Begleitung ist das Risiko deutlich geringer als beim unkontrollierten Freizeitkonsum.
Bedrocan, ein Hersteller medizinischer Cannabisprodukte, formuliert es so: Die Gefahr einer Cannabis-Abhängigkeit ist in der Therapie minimal, solange Dosierung und Einnahme gut überwacht werden. Wichtig ist beispielsweise, mit niedrigen Dosen zu beginnen und nur langsam zu steigern. Patienten mit Vorgeschichte von Suchtproblemen müssen besonders eng betreut werden. Sollte dennoch über längere Zeit eine hohe Dosis nötig sein, wird der Arzt eventuell versuchen, Pausen oder Dosisreduktionen einzuplanen, um einer Toleranzentwicklung entgegenzuwirken.
Fazit in diesem Punkt: Medizinisches Cannabis ist kein Freifahrtschein. Auch hier kann eine medizinisches Cannabis Sucht entstehen, insbesondere wenn das Medikament missbräuchlich verwendet wird. Allerdings kannst Du das Risiko minimieren, indem Du Dich genau an die ärztlichen Vorgaben hältst, offen über eventuelles Craving (Verlangen nach mehr) sprichst und niemals eigenmächtig die Dosis erhöhst. So profitierst Du von den therapeutischen Effekten, ohne unnötig in eine Abhängigkeit zu rutschen.
Toleranzentwicklung – wenn die Wirkung nachlässt
Ein Begriff, der oft im Zusammenhang mit Sucht fällt, ist Toleranz. Vielleicht hast Du es selbst schon erlebt oder davon gehört: Wer über längere Zeit regelmäßig Cannabis nutzt, stellt häufig fest, dass die Wirkung mit der Zeit schwächer wird. Man braucht also mehr oder potenteres Cannabis, um den gleichen Effekt zu spüren. Das ist genau damit gemeint, wenn von Toleranzentwicklung oder Gewöhnung die Rede ist. Dein Körper (vor allem Dein Gehirn) gewöhnt sich an den Wirkstoff THC und passt sich an. Er reguliert z.B. die Rezeptoren im Gehirn herunter, sodass der gleiche Joint irgendwann nicht mehr so “knallt” wie am Anfang.
Aber Vorsicht: Toleranz ist nicht gleich Abhängigkeit – sie ist allerdings oft Teil davon. Tatsächlich entwickelt man bei fast allen Drogen, die man regelmäßig konsumiert, eine gewisse Toleranz. Das alleine bedeutet noch nicht, dass man süchtig ist. Es zeigt nur, dass der Körper sich anpasst. Selbst Medikamente wie bestimmte Schlafmittel oder Schmerzmittel verlieren mit der Zeit an Wirkung, weil der Körper sie “gewöhnt” ist. Bei Cannabis passiert Ähnliches: Fast alle regelmäßigen Konsumenten berichten von Toleranzentwicklung. Manche legen deshalb bewusst Pausen ein (Stichwort Toleranzpause oder Reset), um die Empfindlichkeit der Rezeptoren wieder zu erhöhen.
Problematisch wird Toleranz, wenn sie zu einer Dosissteigerung führt. Wenn Du merkst, dass Du immer häufiger immer mehr brauchst, um eine Wirkung zu spüren, ist das ein Warnsignal. Denn höhere Dosen bedeuten nicht nur mehr Nutzen, sondern meist auch mehr Nebenwirkungen und – im Fall von Drogen – ein höheres Suchtpotential. In der ICD-10 gilt Toleranzentwicklung daher als eines der Kennzeichen einer Abhängigkeit. In der Praxis läuft es so: Du konsumierst häufig → Dein Körper gewöhnt sich dran → Du erhöhst die Dosis oder Frequenz → dadurch steigt wiederum das Risiko, dass Du die Kontrolle verlierst oder Entzugssymptome bekommst, falls Du pausierst. Tipp: Solltest Du Cannabis (medizinisch oder nicht) nutzen und feststellen, dass Du die Dosis immer weiter erhöhst, sprich mit Deinem Arzt. Gegebenenfalls kann eine Pause oder Umstellung auf ein Präparat mit mehr CBD (dem nicht-psychoaktiven Cannabinoid) helfen, die Toleranz abzuschwächen – ohne dass Du in zu hohe Dosierungen vordringst.
Psychische Gewöhnung vs. körperliche Abhängigkeit
Man hört oft die Aussage: “Cannabis macht doch höchstens psychisch abhängig, nicht körperlich.” Was ist da dran? Nun, zunächst müssen wir verstehen, was die psychische und physische (bzw. körperliche) Abhängigkeit genau bedeutet.
- Psychische Abhängigkeit (auch seelische Abhängigkeit):
Hierbei spielt sich die Sucht vor allem im Kopf ab. Typisch ist ein unwiderstehliches Verlangen nach der Droge – auf Englisch sagt man Craving. Man denkt ständig daran, wie und wann man den nächsten Konsum einplanen kann. Oft dient der Konsum dazu, unangenehme Gefühle zu vermeiden und Wohlbefinden herzustellen. Bei Cannabis kann das z.B. heißen: Jemand greift zum Joint, sobald Stress aufkommt oder schlechte Laune – weil er gelernt hat: Das Rauchen entspannt (zumindest kurzfristig). Psychische Abhängigkeit zeigt sich auch im Kontrollverlust: Man nimmt sich vor, „nur einen kleinen Joint“ zu rauchen, aber es bleibt nicht dabei. Oder man will eine Pause machen und hält es doch nicht durch, weil die Gedanken ständig um den Konsum kreisen. Viele der oben genannten Kriterien (Vernachlässigung anderer Interessen, Konsum trotz Schaden, etc.) beziehen sich ebenfalls hauptsächlich auf die psychische Komponente. Übrigens berichten viele, dass psychische Abhängigkeit schwerer zu überwinden ist als eine körperliche. Die Gewohnheit und das Verlangen im Kopf können einen noch lange verfolgen, selbst wenn der Körper die Substanz nicht mehr braucht. - Körperliche Abhängigkeit:
Hier spricht der Organismus ein Wörtchen mit. Durch dauerhaften Konsum passt sich der Körperstoffwechsel so an die Droge an, dass er irgendwann nicht mehr “normal” funktionieren kann ohne. Die Substanz wird quasi in den Regelkreis eingebaut. Bleibt sie aus, gerät der Körper aus dem Gleichgewicht – das äußert sich in handfesten Entzugserscheinungen. Bei Opiaten oder Alkohol sind diese körperlichen Entzüge teils sehr schwer (Schweißausbrüche, Zittern, Krampfanfälle, Kreislaufprobleme etc.). Bei Cannabis fallen die körperlichen Symptome in der Regel milder aus (dazu gleich mehr), aber es gibt sie. Körperliche Abhängigkeit erkennt man klassisch daran, dass typische Entzugssymptome auftreten, wenn man die Substanz weglässt. Wichtig: Toleranz (siehe oben) ist oft ein Vorbote körperlicher Abhängigkeit – sie zeigt, dass der Körper begonnen hat, sich anzupassen. Allerdings entwickeln viele psychoaktive Drogen (wie z.B. LSD oder auch Cannabis) zwar Toleranz, aber nur milde oder keine körperlichen Entzugserscheinungen. Das heißt, man kann in solchen Fällen psychisch abhängig sein, ohne eine starke physische Abhängigkeit zu haben.
Was bedeutet das nun für Cannabis? Cannabis verursacht vor allem eine psychische Abhängigkeit. Das heißt, das Hauptproblem bei der Cannabissucht ist das Craving, das ständige Verlangen und die gedankliche Fixierung auf den Konsum. Viele Betroffene berichten, dass sie gereizt, unruhig oder depressiv verstimmt sind, wenn sie nicht kiffen können – all das sind eher seelische Entzugszeichen. Körperliche Symptome können zwar auch auftreten (z.B. Schwitzen oder Zittern), sind aber in der Regel leichterer Natur. Anders als bei Alkohol oder Heroin ist ein lebensgefährlicher Entzug bei Cannabis nicht zu erwarten. Kein Mensch muss ins Krankenhaus, weil er mit dem Kiffen aufgehört hat – schlimmstenfalls fühlt man sich eine Zeitlang ziemlich mies. Dennoch sollte man das nicht verharmlosen: Auch milde körperliche Entzugssymptome können sehr unangenehm sein und dazu verleiten, wieder zum Joint zu greifen, um sich besser zu fühlen. Genau darin liegt die Tücke der psychischen Abhängigkeit: Das Gehirn “überredet” Dich, weiterzumachen.
Gut zu wissen: Manche sagen “psychisch abhängig” im Sinne von “naja, es ist nur Kopfsache, also halb so wild”. Das stimmt so nicht. Eine psychische Abhängigkeit kann sehr hartnäckig sein – oft sogar hartnäckiger als eine körperliche. Während körperliche Entzugserscheinungen nach einigen Tagen oder Wochen abklingen, kann einen das Verlangen (die Gewohnheit) Monate oder Jahre verfolgen. Deshalb sollte man die psychische Abhängigkeit keineswegs unterschätzen.
Cannabis-Entzugssymptome: Gibt es das wirklich?
Ein weit verbreiteter Mythos war lange, Cannabis mache gar nicht abhängig, weil es keinen Entzug gebe. Viele Gelegenheitskonsumenten haben tatsächlich nie Entzugssymptome erlebt – doch wer regelmäßig und viel konsumiert, kann beim Absetzen sehr wohl deutliche Symptome spüren. Inzwischen ist das Cannabis-Entzugssyndrom sogar offiziell anerkannt (es steht im DSM-5).
Wie äußert sich so ein Cannabis-Entzug? Hier ein Überblick über häufige Cannabis Entzugssymptome beim Stoppen nach regelmäßigem Konsum:
- Schlafstörungen – viele haben Probleme einzuschlafen oder wachen nachts oft auf. Auch lebhafte, ungewöhnliche Träume nach dem Absetzen sind typisch (Cannabis unterdrückt im Konsum den REM-Schlaf, beim Entzug träumt das Gehirn dann “auf Vorrat”).
- Psychische Symptome – vor allem Reizbarkeit, innere Unruhe, Anspannung und Angstgefühle. Manche berichten auch von depressiver Stimmung oder erhöhter Aggressivität in den ersten Tagen ohne Cannabis. Das sind Zeichen, dass das Nervensystem ohne die gewohnte THC-Dämpfung erstmal überreagiert.
- Körperliches Unwohlsein – z.B. verstärktes Schwitzen, Frösteln oder leichtes Zittern. Einige klagen über Magen-Darm-Beschwerden, allgemeine Schmerzen oder Kopfdruck. Appetitlosigkeit ist ebenfalls sehr häufig, oft verbunden mit ein paar Pfund Gewichtsverlust (THC regt normalerweise den Appetit an, beim Entzug fehlt dieser Effekt).
Diese Symptome beginnen meist ein bis zwei Tage nach dem letzten Konsum, erreichen nach 2–3 Tagen ihren Höhepunkt und klingen innerhalb von ca. 1–2 Wochen wieder ab. Medizinisch gefährlich sind sie, wie gesagt, in der Regel nicht – aber durchaus unangenehm. Sie ähneln in ihrer Intensität etwa dem Entzug von starkem Kaffeekonsum oder dem Abgewöhnen von Nikotin. Niemand muss sich also vor Krampfanfällen oder Schlimmerem fürchten, doch Unwohlsein und Stimmungsschwankungen sind real.
Interessant: Etwa 47 % der regelmäßigen Cannabiskonsumenten erleben laut einer großen Meta-Studie im Laufe ihres Lebens schon einmal Entzugssymptome. Das heißt, fast die Hälfte aller Menschen, die regelmäßig kiffen (oder dauerhaft gekifft haben), kennt dieses Phänomen aus eigener Erfahrung. Viele beschreiben den Entzug rückblickend als eines der schwierigsten Hindernisse beim Versuch, mit dem Kiffen aufzuhören – weniger wegen körperlicher Schmerzen, sondern wegen des starken Verlangens (Cravings), das in dieser Phase oft auftritt. Gerade dieses innere Ziehen “nur ein Zug, dann geht’s dir besser” macht den Entzug tückisch. Hier kann professionelle Unterstützung, etwa in Form eines Suchtberaters oder eines strukturierten Entwöhnungsprogramms, sehr hilfreich sein, um durchzuhalten.
Für Patienten, die medizinisches Cannabis einnehmen, stellt sich die Frage nach Entzugssymptomen vor allem dann, wenn die Therapie beendet oder pausiert wird. Die gute Nachricht: Da hier meist unter ärztlicher Anleitung ausschleichend abgesetzt wird (also die Dosis langsam reduziert), sind spürbare Entzugssymptome bei medizinischer Anwendung eher selten. Falls Du dennoch welche bemerkst (z.B. Schlafprobleme oder Reizbarkeit bei Cannabis-Pausen in der Therapie), solltest Du mit Deinem Arzt darüber sprechen. Oft hilft es schon, die Ausschleichphase zu verlängern oder die Medikation etwas anzupassen.
Abschließende Gedanken
Macht medizinisches Cannabis abhängig? – Du siehst, eine einfache Ja-oder-Nein-Antwort greift zu kurz. Cannabis besitzt ein gewisses Abhängigkeitspotential, das man weder überdramatisieren noch ignorieren sollte. Im medizinischen Kontext scheint das Risiko bei verantwortungsvollem Gebrauch relativ gering zu sein, doch auch Patienten sind nicht vollkommen davor gefeit, vor allem bei hohen Dosen und langer Nutzungsdauer. Im Freizeitgebrauch hängt vieles vom Konsumverhalten ab: Gelegentliches Konsumieren in Maßen führt selten in die Abhängigkeit, regelmäßiges Kiffen hingegen deutlich öfter.
Für Dich persönlich bedeutet das: Beobachte Deinen Umgang mit Cannabis ehrlich. Solltest Du es medizinisch nutzen, halte engen Kontakt zu Deinem behandelnden Arzt, vor allem wenn Du das Gefühl hast, die Dosis ständig steigern zu müssen oder ohne Cannabis nicht mehr auszukommen. Scheue Dich nicht, Hilfe anzunehmen – Abhängigkeit kann jede*n treffen, und es gibt professionelle Unterstützung, um da wieder herauszukommen. Und wenn Du Cannabis nur zum Spaß nutzt, dann genieße es mit Maß und Ziel. Mach Dir bewusst, dass auch eine psychische Gewöhnung tückisch sein kann.
Die Diskussion in Deutschland wird weitergehen, aber mit Aufklärung und entdramatisierter Sichtweise kommen wir der Wahrheit näher: Cannabis ist weder Wundermittel noch Teufelszeug, sondern ein Wirkstoff mit Nutzen und Risiken. Wenn wir diese Risiken kennen – darunter das der Abhängigkeit – können wir informierte Entscheidungen treffen. Genau dabei soll ein patientenorientierter Blog wie dieser helfen. Bleib neugierig, bleib kritisch und vor allem: pass auf Dich auf.
Quellen: Die Informationen in diesem Artikel basieren auf aktuellen Fachquellen und Studien, u.a. der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Drugcom), wissenschaftlichen Meta-Analysen zu Cannabisabhängigkeit und medizinischem Cannabis, sowie Experteneinschätzungen aus Klinik und Forschung.
- drugcom.de (BZgA) – Diverse Artikel zu Abhängigkeit, Risiken und Entzugssymptomen
- Deutsches Gesundheitsportal (DGP) – „Cannabisabhängigkeit bei jedem 4. Nutzer von medizinischem Cannabis“
- Purgrün Magazin – „Daten, Fakten und Statistiken zum Thema Cannabis in Deutschland“
- Bedrocan – „Nebenwirkungen und Risiken von Cannabis“
- Caritas – „Was ist der Unterschied zwischen Sucht und Abhängigkeit?“
- Deutschlandfunk – „Kiffen erlaubt: Was nun gilt“
- Bundesministerium für Gesundheit (BMG) – „Cannabis: Potenzial und Risiken (CaPRis)“


